St. Maria Königin



Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts dachte man in der Gemeinde über einen Neubau nach, denn St. Ulrich war für die stetig wachsende Zahl der Gemeindemitglieder zu klein geworden. Doch dieses Vorhaben musste aus verschiedenen Gründen bis in die 1950er Jahre ad acta gelegt werden. Dennoch weihte Pfarrer Stratmann im Kriegsjahr 1943 in einem feierlichen Gottesdienst die Gemeinde der Gottesmutter und gelobte, wenn Sindorf von starken Zerstörungen verschont bleibe, eine neue Kirche zu Ehren St. Maria Königin zu errichten.



Weiheurkunde von St. Maria Königin (1956) 



Sein Gelöbnis erfüllte der engagierte Pfarrer bald nach dem Zweiten Weltkrieg: Am 26. Juni 1953 wurde endlich der dringend notwendige Kirchenneubau beschlossen. Das Grundstück an der Kerpener Straße hatte die Familie Pohl der Gemeinde schon vor dem Ersten Weltkrieg geschenkt, und der 1952 gegründete Kirchbauverein hatte bereits eine ansehnliche Summe zur Deckung der Baukosten gesammelt. Am 31. Juli 1955 erfolgte die Grundsteinlegung, und am 2. Dezember 1956 konsekrierte Weihbischof Josef Ferche das neue Gotteshaus, das gemäß dem Versprechen Pfarrer Stratmanns die Gottesmutter als Pfarrpatronin erhielt. Der Entwurf zu dem modernen Gebäude stammt von Fritz Schaller, einem der bedeutendsten Kölner Architekten der 1950er Jahre. Bekannt geworden ist er mit seiner 1952/53 kompromisslos modern errichteten „Bank für Gemeinwirtschaft“ gegenüber dem Kölner Dom – in diesem wichtigen Baudenkmal befindet sich heute das „Domforum“ des Erzbistums Köln.



Auch St. Maria Königin soll auf die Sindorfer Zeitgenossen zunächst „gewöhnungsbedürftig“ gewirkt haben. Der Besucher nähert sich dem ganz in Eisenbeton errichteten Gebäudekomplex von Osten. Die östliche Giebelfassade besteht aus drei klar voneinander abgegrenzten Feldern: Die beiden Randfelder aus Glasfenstern rahmen ein gemauertes Mittelfeld, an dessen Rändern schmale Pilaster hervorspringen. Vorbei an den vier südlich gelegenen niedrigen Giebeln, hinter denen sich die Werktagskapelle verbirgt, gelangt man zur Westseite des Gotteshauses. Hier besteht das Mittelfeld aus Glas, während die beiden Seitenfelder mit Ziegeln verklinkert sind und schmucklose kleine Portale enthalten. Die symmetrische Dreiteilung der östlichen und westlichen Fassade ist eine Anspielung auf den Bautyp der dreischiffigen Basilika. Im Süden überragt ein über 50 Meter hoher Turm die Gebäudegruppe. Im Erdgeschoss des Glockenturmes befindet sich ein offener Durchgang, der schließlich zum parabelförmigen Hauptportal von St. Maria Königin führt.




 

Der Grundriss zeigt, dass dem Gotteshaus die Idee eines Prozessionsweges zugrunde liegt. Dieser beginnt im Süden unter dem Turm und führt dann in eine Werktagskapelle, von der aus zwei „Gänge“ in das große „Hauptschiff“ geleiten. Alle Räume sind um einen kleinen Innenhof gruppiert. Der Besucher gelangt durch den Eingang im Süden zunächst in einen Vorraum und in die östlich davon gelegene Werktagskapelle. Von hier aus führt der Weg in einen weiteren Gang, der in das Hauptschiff überleitet. Im Osten des großen Kirchenraumes befindet sich der um zwei Stufen erhöhte Altarraum, im Westen das Chorpodest mit der großen Orgel.

Das leicht gewölbte und blau gestrichene Betondach ruht auf 14 frei im Raum stehenden Betonpfeilern mit Y-förmigem Grundriss. Die grazilen hellen Pfeiler verleihen der Konstruktion im Kontrast zu den schweren Ziegelwänden eine gewisse Leichtigkeit und Transparenz, die typisch für den Baustil der 1950er Jahre ist. Hinzu kommt, dass das Licht hauptsächlich von oben in den Raum fällt: Die Randfelder zwischen dem Dach und den Seiten- und Giebelwänden bestehen aus mattem weißen Glas, vor dem Holzlamellen den Lichteinfall dämpfen. Die Pfeiler unterteilen den Kirchenraum in ein Mittelschiff und zwei sehr schmale Seitenschiffe. Da die Pfeiler jedoch versetzt stehen und die achteckige, beinahe oval erscheinende Form des Daches nachführen, entsteht im Raum ein leichtes Schwingen. Ganz im Einklang damit stehen die beiden parabelförmigen Portale, deren architektonische Inspirationsquelle wohl in St. Engelbert in Köln-Riehl zu finden ist.

Der um zwei Stufen erhöhte Altarbereich wirkt kühl und nüchtern. Den Zelebrationsaltar ist aus Teilen des alten Altartisches gefertigt; ebenso wie der Ambo ist er ein Werk des Kölner Bildhauers Sepp Hürten aus dem Jahre 1994. Das frei über dem Altar hängende hölzerne Kreuz mit der der Figur des Gekreuzigten gestaltete der Künstler H. Dünnendahl. In dem kleinen Bereich südlich der Altarzone steht der runde Taufstein, dessen medaillonförmiger Deckel Jesus, die vier Weltflüsse und die Friedenstaube zeigt. Auf der gegenüber liegenden Seite erhebt sich auf einem flachen Podest der Tabernakel, er befindet sich auf einem abgetrennten Teil des alten Altartisches. Die biblischen Quellen der bildlichen Gestaltung sind die Visionen in der Offenbarung des Johannes. Die Nord-, Ost- und Südseite des Tabernakels zeigen jeweils ein großes offenes Tor und geben den Blick auf eine Stadt frei: Im Osten, Süden, Norden und Westen hat die Stadt je drei Tore, wie es in der Offenbarung heißt. Umgeben ist die heilige Stadt von einer großen und hohen Mauer „mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf“ – der Tabernakel macht somit die Vision des neuen Jerusalem sinnfällig.

Das im Grundriss der Kirche vorgegebene Thema des Prozessionsweges erscheint in den kleinformatigen Glasmalereien, die sich in den Fensternischen der Längswände des Hauptschiffes befinden. Die Bilder symbolisieren die Bittrufe der „Lauretanischen Litanei“, eines seit dem 16. Jahrhunderts gebräuchlichen Wechselgebets zu Ehren Marias, das in Andachten und bei Prozessionen gesungen wird. Die beinahe wie Kinderzeichnungen wirkenden, aber eine eingehende Betrachtung fordernden Glasbilder entwarf der Künstler Buschold gegen Ende der 1950er Jahre. Ebenso sorgfältig sollten die Glasmedaillons betrachtet werden, die sich vor den Glaswänden hinter der Orgel und neben der Altarzone befinden. Die Entwürfe von Raimund Franke aus dem Jahre 1976 nehmen ebenfalls die Motive „Prozessionsweg“ und „St. Maria Königin“ auf. Deshalb enthalten die achteckigen Glasmedaillons hauptsächlich Darstellungen der Pfarrpatronin und der Hochfeste; daneben finden sich aber auch abstrakte Motive, die bei näherem Hinsehen „Wege zum Mittelpunkt“ anzeigen. Dabei kann der Weg der Gemeinde und des Menschen manchmal einfach, manchmal beschwerlich sein – aber er führt immer zum Ziel in der Mitte des christlichen Lebens. (Dr. Christian Frommert)



Ausstellung "50 Jahre St. Maria" im November 2006