Abendmusik vom 21.05.1989

Jazzmusik in der Kirche
Saxophon-Star Lee Konitz spielte in St. Ulrich in Sindorf

[Mike Fügeling] Wenn Altmeister Lee Konitz spielt, dann wird auch eine Kirche zum Jazz-Club. Die Sindorfer St. Ulrich-Kirche war am Sonntag der Schauplatz einer ungewöhnlichen Jam-Session, bei der der legendäre New Yorker Altsaxophonist im Duett mit dem Dortmunder Pianisten Frank Wunsch eine Kostprobe seiner Kunst gab.
Die interessierten Zuhörer wurden Zeugen einer vollendeten musikalischen Partnerschaft zwischen dem 62jährigen Konitz und dem 43jährigen Wunsch. Der reine, ungeheuer persönliche Altsaxophonsound, mit dem Konitz bereits in den 40er Jahren berühmt geworden war, harmonierte perfekt mit den intelligenten Klavierpassagen des Dortmunders. Improvisiert wurde unter anderem über Standards, d.h. Stücke, die im Repertoire jedes Jazzmusikers gehören und meist ihren Ursprung in populären Schlagern der 30er Jahre haben. Es kamen aber auch Eigenkompositionen Frank Wunschs zu Gehör, die in ihrer Vielschichtigkeit geradezu kammermusikalischen Charakter haben und dennoch purer Jazz sind.
Ein besonderer Leckerbissen war Konitz‘ Improvisation über einen gregorianischen Choral, die in ihrer klaren Eindringlichkeit die Zuhörer begeisterte.
Wohl kaum ein anderer Jazzmusiker hat so große Wirkung in Deutschland gehabt wie Lee Konitz. Der Altsaxophonist wurde in den späten 40er Jahren durch seine Zusammenarbeit mit dem Pianisten und Cool-Jazz-Guru Lennie Tristano bekannt. Im Verlauf seiner Karriere spielte er mit allen Musikern, die im Jazz Rang und Namen haben, unter anderem mit Miles Davis und Bandleader Stan Kenton. Seinen ersten Besuch in Deutschland machte er 1951. Seitdem ist er unzählige Male wiedergekommen, ein vielbejubelter Gast auf Jazzfestivals in ganz Europa. Allein mit Frank Wunsch hat Konitz in den letzten zwei Jahren etwa 100 Konzerte gegeben.
Die mit seiner enormen Popularität verbundenen häufigen Reisen und Auftritte zwingen ihn, ein unstetes Leben zu führen. Wie Konitz scherzhaft anmerkte, ist dieser Lebenswandel auch der Grund für die scheinbare Verrücktheit vieler Jazz-Musiker. Gleichzeitig fördert diese Unrast auch die Kreativität. Das ständige Streben nach Perfektion, immer neue Höhen zu erklimmen, ist nach den Worten seines Förderers Stan Kenton der wesentliche Charakterzug Konitz‘.
Pianist Frank Wunsch, der mit Konitz so überzeugend zusammenspielte, ist ebenfalls ein gestandener Jazz-Profi. Seit Abschluss seines Musik-Studiums vor 13 Jahren ist er erfolgreich im schwierigen Jazz-Business tätig. Durch seine Bekanntschaft mit der Organistin der Sindorfer Sankt Ulrich-Kirche, Gudrun Bonnemann, kam dieses Konzert im Rahmen der "Abendmusik in St. Ulrich" zustande. Unter diesem Titel organisiert die katholische Pfarrgemeinde Sindorf musikalische Darbietungen aller Art in St. Ulrich. leider fanden nur etwa 100 Zuhörer den Weg nach St. Ulrich. Etwas weniger Exklusivität hätte hier nichts geschadet. (Kölner Stadt-Anzeiger vom 27.05.1989)



Chorkonzert vom 17.09.1989
Chorkonzert vom 27.11.1988